Wenn ich unter Menschen bin, kann ich mich des Eindrucks
nicht erwehren, daß die meisten Menschen den feinen Unterschied zwischen
Freiheit und Zwangsbeglückung nicht verstehen. Wenn die Frau mit der Gitarre
sich in die Fußgängerzone stellt, um ihre Umwelt mit ihren christlichen Liedern
in piepsiger Stimme zu beglücken, dann hat man die Wahl, an ihr vorbeizugehen
und sie zu ignorieren. Wenn die gleiche Frau allerdings neben dem Tisch steht,
an dem ich mich in einem Restaurant bei gutem Wetter draußen zum Mittagessen
niedergelassen habe, um in Ruhe zu essen, dann zwingt sie mir ihren Gesang auf,
weil ich nicht einfach weitergehen kann wie in der Fußgängerzone. Als sie mit
ihren Liedern durch war und an den Tischen entlangging, um nach einer Spende zu
fragen, wies ich sie auf den Unterschied hin. Zwei Frauen am Nebentisch
reagierten sofort empört, daß die Frau doch eine tolle Stimme hätte, worauf ich
ihnen erklärte, daß nicht jeder den gleichen Geschmack hätte und Schönheit im
Auge des Betrachters liegen würde. Ich bringe ja auch nicht meinen
Ghettoblaster mit zum Essen und gehe ganz automatisch davon aus, daß alle
Menschen in meiner Umgebung meinen Musikgeschmack teilen. Die Frau mit der
Gitarre meinte nur, so sei das eben im Leben, und sie würde heute Abend darüber
nachdenken. Ich mutmaße mal, daß sie auch politisch die Meinung vertritt, daß
sich alle Individuen eben der Meinung der Mehrheit unterzuordnen
haben. Zum Wohle der Allgemeinheit.
Freiheit, wie ich sie verstehe, hat immer auch etwas mit Respekt zu tun, nämlich
vor der Freiheit des Andersdenkenden.
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