Montag, 19. Mai 2014

Freiheit vs. Zwangsbeglückung


Wenn ich unter Menschen bin, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die meisten Menschen den feinen Unterschied zwischen Freiheit und Zwangsbeglückung nicht verstehen. Wenn die Frau mit der Gitarre sich in die Fußgängerzone stellt, um ihre Umwelt mit ihren christlichen Liedern in piepsiger Stimme zu beglücken, dann hat man die Wahl, an ihr vorbeizugehen und sie zu ignorieren. Wenn die gleiche Frau allerdings neben dem Tisch steht, an dem ich mich in einem Restaurant bei gutem Wetter draußen zum Mittagessen niedergelassen habe, um in Ruhe zu essen, dann zwingt sie mir ihren Gesang auf, weil ich nicht einfach weitergehen kann wie in der Fußgängerzone. Als sie mit ihren Liedern durch war und an den Tischen entlangging, um nach einer Spende zu fragen, wies ich sie auf den Unterschied hin. Zwei Frauen am Nebentisch reagierten sofort empört, daß die Frau doch eine tolle Stimme hätte, worauf ich ihnen erklärte, daß nicht jeder den gleichen Geschmack hätte und Schönheit im Auge des Betrachters liegen würde. Ich bringe ja auch nicht meinen Ghettoblaster mit zum Essen und gehe ganz automatisch davon aus, daß alle Menschen in meiner Umgebung meinen Musikgeschmack teilen. Die Frau mit der Gitarre meinte nur, so sei das eben im Leben, und sie würde heute Abend darüber nachdenken. Ich mutmaße mal, daß sie auch politisch die Meinung vertritt, daß sich alle Individuen eben der Meinung der Mehrheit unterzuordnen haben. Zum Wohle der Allgemeinheit.
Freiheit, wie ich sie verstehe, hat immer auch etwas mit Respekt zu tun, nämlich vor der Freiheit des Andersdenkenden.

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